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Koordinierung versus Bauaufsicht

regress des bauunternehmens

 

a3BAU Ausgabe 3-4/2012: 

Im Gegensatz zu den Baujuristen unterscheiden die Baupraktiker in der Regel nicht streng zwischen Koordinierungspflicht einerseits und Bauaufsichtspflicht andererseits. Die Unterschiede werden immer dann relevant, wenn der Bauherr das Bauunternehmen  wegen Baumängeln klagt.

 

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Erstpublikation in: a3BAU Ausgabe 3-4/2012
Koordinierung versus Bauaufsicht - Regress des Bauunternehmens erschien erstmalig in dem Magazin "a3BAU".
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Es ist zwischenzeitig gesicherte  Rechtsprechung, dass den Bauherrn gegenüber dem Bauunternehmen gewisse Mitwirkungspflichten treffen.  Dies ist nicht selbstverständlich, hat der OGH doch bis Anfang der 80iger Jahre judiziert, dass sich werkvertragliche Nebenpflichten des Bauherrn aus der gesetzlichen Bestimmung des § 1188 a ABGB nicht ableiten ließen.

 

Seit der Judikaturwende vertritt der OGH die Auffassung, dass der Bauherr dem Bauunternehmer brauchbare und zuverlässige Pläne zur Verfügung zu stellen und jene Anordnungen zu treffen hat, die zur reibungslosen Abwicklung des Bauvertrages erforderlich sind.

 

Dem Bauherrn obliege es insbesondere, die  Leistungen der Bauunternehmen zeitlich und technisch zu koordinieren.

 

Soweit ersichtlich, stützt sich der OGH hinsichtlich dieser von ihm bejahten Koordinierungspflicht des Bauherrn insbesondere auf inhaltsgleiche Aussagen des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH). Wie sehen die Mitwirkungspflichten des Bauherrn im Detail aus?

 

Völlig unstrittig ist, dass der Bauherr dem Bauunternehmen die Beistellung fehlerfreier Pläne schuldet. Hinsichtlich der weiteren Mitwirkungspflichten des Bauherrn ist streng zwischen der Koordinierungspflicht einerseits und der Bauaufsichtspflicht andererseits zu unterscheiden. Mit der oben zitierten Formulierung des österreichischen OGH, wonach der Bauherr die einzelnen Leistungen der Bauunternehmer zeitlich und technisch zu koordinieren hat, ist bereits die Koordinierungsverpflichtung angesprochen.

 

Diese zeitliche und technische Koordinierung schuldet der Bauherr seinen Bauunternehmen.

 

Der Bauherr hat also die erforderlichen Anordnungen zu treffen, damit es zu einem funktionierenden Zusammenwirken der diversen Professionisten kommt. Nun kommt es in der Praxis natürlich, und zwar insbesondere bei privaten Bauherrn vor, dass der Bauherr die Koordinierungsverpflichtung einem Architekten überbindet. Verletzt der Architekt diese Koordinierungsverpflichtung, so führt dies zu einem entsprechenden Mitverschulden des Bauherrn im Verhältnis zum Bauunternehmen. Plastisch: Klagt der Bauherr den Bauunternehmer wegen einer mangelhaften Bauausführung auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens in Höhe von 100.000 Euro und stellt das Gericht auf Einrede des beklagten Bauunternehmers fest, dass der Architekt des Bauherrn seine Koordinierungsverpflichtung verletzt hat, dann bekommt der Bauherr vom Bauunternehmen nur 70.000 Euro zugesprochen, wenn festgestellt erwiesen ist, dass die Verletzung der Koordinierungspflicht im Ausmaß von 30 % zum Schaden beigetragen hat.  

 

Gänzlich anderes gilt, wenn der vom Bauherrn bestellte Architekt seine Bauaufsichtspflicht verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung schuldet nämlich der Architekt die Bauaufsicht nur seinem unmittelbaren Auftraggeber, also dem Bauherrn, nicht aber den am Bau tätigen Professionisten. Mit anderen Worten: Wenn der Bauherr den Architekten mit der Bauaufsicht beauftragt, dann tut er dies nur im eigenen Interesse, und nicht, um die Professionisten vor allfälligen Ausführungsfehlern zu schützen. Dies hat zur Konsequenz, dass der Bauunternehmer im Prozess gegen den Bauherrn niemals einwenden kann, dass dem Bauherrn ein Mitverschulden zur Last liege, weil der vom ihm beauftragte Architekt seine Bauaufsichtspflicht verletzt hat. Im Sinne des obigen Beispiels bedeutet dies folgendes: Wenn der Bauherr gegenüber dem Bauunternehmer den Ersatz des ihm (dem Bauherrn) wegen mangelhafter Erfüllung erlittenen Schadens in Höhe von 100.000 Euro geltend macht, dann geht der Einwand des Professionisten, der Architekt habe seine Bauaufsichtspflicht verletzt, vollkommen ins Leere. Der Bauherr bekommt 100.000 Euro zugesprochen.

 

Solidarische Haftung

 

Diese in der baurechtlichen Judikatur herausgearbeitete strikte Trennung zwischen Koordinierungspflicht und Bauaufsichtspflicht wird von den am Bau tätigen Unternehmen in der Praxis häufig vollkommen negiert. In seiner Beratungspraxis wird der Anwalt immer wieder mit Einwendungen des Bauunternehmens konfrontiert, dass ihm doch der Architekt des Bauherrn bei der Ausführung zugeschaut und allfällige Ausführungsmängel nicht bekrittelt habe.

 

Noch einmal: Dieser Einwand geht ins Leere. Er greift nur bei der so genannten Koordinierungsverpflichtung, also dann, wenn es der vom Bauherrn betraute Architekt unterlässt, die am Bau tätigen Unternehmen in zeitlicher und technischer Hinsicht entsprechend zu koordinieren. 

 

Wenn Bauausführungsmängel und Fehler der ÖBA (Bauaufsicht) zusammenkommen, geschieht es in den letzten Jahren immer häufiger, dass der Bauherr beide, also sowohl Bauunternehmen als auch Architekt, gerichtlich in Anspruch nimmt. Dies folgt daraus, dass das Gesetz eine solidarische Haftung von Bauunternehmen und Architekt vorsieht, wenn sich deren Anteile am aufgetretenen Bauschäden nicht bestimmen lassen. Die Nichtbestimmbarkeit dieser Anteile bildet die Regel. Niemand kann dem Bauherrn vorschreiben, wen er für den Ersatz des erlittenen Bauschadens in Anspruch nimmt. Fraglich ist, was geschieht, wenn der Bauherr – aus welchen Gründen auch immer – nur das Bauunternehmen auf Ersatz des erlittenen Bauschadens klagt. Wie oben angeführt, kann das Bauunternehmen gegenüber dem Bauherrn aus der Verletzung der Bauaufsichtspflicht durch den Architekten keinen Mitverschuldenseinwand erheben. Dies bedeutet, dass das Bauunternehmen gegen den Bauherrn zur Gänze unterliegt und dem Bauherrn vollen Schadenersatz zu leisten hat. In einem solchen Fall ist fraglich, ob das Bauunternehmen berechtigt ist, sich beim Architekten, der die Bauaufsichtsverpflichtung verletzt hat, zu regressieren, um  wenigstens einen Teil des von ihm bezahlten Schadens einzufordern. Das Gesetzt stellt mit § 896 ABGB grundsätzlich eine derartige Anspruchsgrundlage zur Verfügung. Soweit ersichtlich gibt es zu dieser Problematik noch keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung. Es darf aber bezweifelt werden, dass dem  Bauunternehmen ein derartiger Regress gelingt. Dies eben deshalb, weil er OGH in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass der Zweck der Bauaufsicht nicht darin liegt, das Bauunternehmen vor Ausführungsfehlern zu schützen. Wenn aber die ÖBA nicht den Sinn hat, das ausführende  Unternehmen vor Ausführungsfehlern zu schützen, dann wäre eine Regressmöglichkeit des Bauunternehmens gegenüber dem bauaufsichtsführenden Architekten inkosequent bzw. widersinnig.