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Häufige Irrmeinungen im Baurecht

a3BAU Ausgabe 10/2015: 

Zwei Prolbemfelder, die in der Praxis immer wieder Probleme bereiten beziehungsweise wo häufig Irrmeinungen bestehen, sind die Gewährleistungsfrist bei verborgenen Mängeln sowie die Sittenwidrigkeit der Überwälzung der Prüfpflicht auf den Auftragnehmer.


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Erstpublikation in: a3BAU Ausgabe 10/2015
Häufige Irrmeinungen im Baurecht erschien erstmalig in dem Magazin "a3BAU".
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In der Praxis herrscht vielfach die Meinung vor, dass bei verborgenen oder versteckten Mängel die Gewährleistungsfrist erst mit Erkennbarkeit des Mangels zu laufen beginnt. In einer aktuellen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof (OGH) dieser Irrmeinung wieder einmal eine klare Absage erteilt. Er hat ausgesprochen, dass nach ständiger Rechtssprechung bei verborgenen Mängeln die Erkennbarkeit des Mangels keine Voraussetzung für den Beginn der Gewährleistungsfrist darstellt.


Auch bei versteckten/verborgenen Mängeln beginne die Gewährleistungsfrist mit dem Zeitpunkt der Übergabe des Werkes an den Übernehmer zu laufen.


Es sei denn, vom ausführenden Unternehmer wurden besondere Sacheigenschaften zugesichert.

 

In dem vom OGH entschiedenen Fall wurden weder im Kaufvertrag noch im Rahmen der mündlichen Vertragsgespräche besondere Sacheigenschaften zugesichert. Damit, so der OGH, habe die dreijährige Gewährleistungsfrist bereits im Zeitpunkt der Übergabe, nämlich am 26.6.2003, zu laufen begonnen. Auch wenn der Mangel am Dachboden erst Anfang März 2012 bekannt geworden sei, ändere dies nichts am Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt die Gewährleistungsfrist längst abgelaufen war.

 

In dem vom OGH entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber darauf hingewiesen, dass die das Kellergeschoss betreffenden Mängel erst im Juni 2009 saniert worden waren. Aus diesem Grund habe, so der AG, nach Abschluss der Sanierung die Gewährleistungsfrist neu zu laufen begonnen. Auch dieses Argument wies der OGH zurück. Verbesserungsversuche und ein schlüssiges Anerkenntnis des Werkunternehmers bewirke einen Neubeginn der Gewährleistungsfrist nur bezüglich des dadurch anerkannten Mangels. Demnach hätten, so der OGH, die im Kellergeschoß aufgetretenen und erfolgreich sanierten Mängel den Lauf der Gewährleistungsfrist betreffend die Mängel am Dachboden nicht unterbrochen.

 

Merke: Auch bei versteckten Mängeln beginnt die Gewährleistungsfrist grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der Übergabe des Gewerkes an den Auftraggeber zu laufen. Verbesserungsversuche  bzw. eine Sanierung eines vorhandenen Mangels bewirkt einen neuen Fristenlauf nur bezüglich des vom Verbesserungsversuch bzw. der Sanierung betroffenen Mangels, nicht jedoch bezüglich eines anderen Mangels.

 

In einer weiteren Entscheidung hat sich der OGH zu einer Vertragsklausel geäußert, mit der die Prüfpflicht hinsichtlich vom Auftraggeber bereitgestellter Materialien auf den Werkunternehmer überwälzt wurde. Die vertragliche Regelung sah die Verpflichtung des Auftragnehmers vor, vom Auftraggeber beigestellte Materialien, Hilfsmaterialien und Anlagenteile bei Übernahme sorgfältig zu prüfen und eventuelle Beanstandungen dem AG zu melden. Der AN hat im abgeführten Zivilprozess die Sittenwidrigkeit dieser Vertragsklausel behauptet.

 

Der OGH hat hiezu ausgesprochen, dass nicht jede Klausel, die vom nicht zwingenden Recht abweiche, dadurch sittenwidrig werde. Sittenwidrigkeit liege nur dann vor, wenn die Abweichung vom Gesetz unangemessen ist bzw. es für sie keine sachliche Rechtfertigung gibt. In der Angelegenheit hatte das Berufungsgericht die beanstandete Klausel als nicht sittenwidrig beurteilt. Der OGH hat ausgesprochen, dass diese Rechtsansicht durchaus vertretbar sei und keiner Korrektur durch den OGH bedürfe. Wenig überraschend hat der OGH ausgesprochen, dass im konkreten Fall ein strengerer Maßstab an den AN auch deshalb angelegt werden könne, weil es sich dabei um einen Unternehmer handle.

 

Merke: Nur unangemessene Abweichungen vom nicht zwingenden Recht, für die es keine sachliche Rechtfertigung gibt, begründen allenfalls Sittenwidrigkeit. Welche Abweichung als „unangemessen“ zu qualifizieren ist, bleibt stets eine Beurteilung des Einzelfalls. Bei Unternehmern wird bei einer derartigen Unangemessenheitsprüfung in aller Regel ein strenger Maßstab angelegt.