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Warnpflicht des Bauunternehmers

"wer schreibt, der bleibt"

 

a3BAU Ausgabe 1-2/2010: 

Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zeigt einmal mehr, dass die Warnpflicht gegenüber dem Bauherrn in jedem Fall schriftlich erfolgen sollte.

 

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Erstpublikation in: a3BAU Ausgabe 1-2/2010
Warnpflicht des Bauunternehmers - "Wer schreibt, der bleibt" erschien erstmalig in dem Magazin "a3BAU".
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Eine Bauherrin beauftragte zunächst den Architekten mit der Herstellung von Plänen und deren Einreichung bei der Baubehörde. Der Architekt begnügte sich mit einem alten Plan, obwohl er ohne exakten Geometerplan nicht in der Lage war, die Lage des Altbaus innerhalb der Grundstücksgrenzen genau zu definieren und die exakten Abstände des geplanten Zubaus sowie der Garage eintragen zu können. Anschließend beauftragte die Bauherrin das Bauunternehmen mit der Umsetzung der Pläne des Architekten, wieder ohne exakten Geometerplan (Lageplan). Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung an das Bauunternehmen existierte noch keine rechtskräftige Baubewilligung. Die Bauherrin erklärte dem Geschäftsführer des Bauunternehmens, dass sie berechtigt sei, bis an die Grundgrenze zu bauen und die Ausstellung der Baubewilligung eine reine Formsache darstelle. Der Geschäftsführer des Bauunternehmens wies die Bauherrin explizit darauf hin, dass das Bauen ohne Bauwilligung ein Risiko darstelle.

 

Nachbar klagt Bauherrin

Im Zuge der Bauausführung bemerkte das Bauunternehmen, dass die ihm zur Verfügung gestellten Planunterlagen hinsichtlich der vorgesehenen Garagenbreite nicht richtig sein konnten. Außerdem erhob der Nachbar Einwände gegen die Bauausführung ohne Baubewilligung, wovon das Bauunternehmen die Bauherrin ebenfalls in Kenntnis setzte. Darüber hinaus hielt das Bauunternehmen gegenüber der Bauherrin schriftlich fest, dass sie bestätigt habe, den Baubeginn der Baubehörde gemeldet zu haben und das Bauunternehmen die Bauausführung nicht einstellen müsse und die Baubewilligung laut Einreichplan lediglich eine Formsache sei.

 

In weiterer Folge gestaltete sich die Erlangung der Baubewilligung aber als äußerst schwierig. Der Nachbar hatte sich gegen die Erteilung der Baubewilligung zu Wehr gesetzt und schließlich sogar den Verwaltungsgerichtshof angerufen, der dem Nachbarn Recht gab und den Baubewilligungsbescheid aufhob. 

 

Bauherrin klagt Bauunternehmen

Um es gleich vorweg zu nehmen: die Bauherrin hat den Prozess gegen das Bauunternehmen verloren. Zunächst wies der OGH darauf hin, dass das Bauunternehmen verpflichtet sei, den Bauherrn in Entsprechung der bestehenden Warnpflicht über die möglichen nachteiligen Folgen des vorzeitigen Baubeginns aufzuklären. Der OGH hat betont, dass der  Bauherrin bewusst war, dass ohne baubehördliche Bewilligung mit der Bauausführung nicht begonnen werden durfte. Sie habe auch damit rechnen müssen, dass im Falle der Versagung der Bewilligung die Baueinstellung und sogar der Abbruch des Gebäudes drohte. Derartige Risiken seien jedem Bauwerber einsichtig. Aus diesem Grund seien an die Warnpflicht des Bauunternehmens im gegenständlichen Fall keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Außerdem habe der Geschäftsführer des Bauunternehmens ohnehin darüber aufgeklärt, dass das Bauen ohne Baubewilligung ein Risiko sei.

 

Schließlich beschäftigte sich der OGH mit der Warnpflicht des Bauunternehmens im Hinblick auf die mangelhaften Pläne. Verlässliche Anhaltpunkte für die Erkennbarkeit einer generellen Untauglichkeit der Pläne hätten nicht bestanden. Nachdem sich beim Bau der Garage ein Planungsfehler zeigte, hat das Bauunternehmen die Bauherrin sofort informiert und deren Weisung eingeholt. Unter diesen Umständen, so der OGH, habe das Bauunternehmen davon ausgehen dürfen, dass die Bauausführung aufgrund der übergebenen Pläne dem Auftrag der Klägerin entsprach und somit vertragskonform war.

 

Die Lehre aus dem OGH-Urteil

Getreu dem Grundsatz in der Baubranche „wer schreibt, bleibt“ gelang dem Bauunternehmen der Beweis, die Bauherrin auf die Risiken im Falle eines vorzeitigen Baubeginns hingewiesen zu haben. Abgesehen davon, dass die Önorm B2110 ohnehin eine schriftliche Warnung vorsieht, empfiehlt es sich, den Bauherrn stets schriftlich zu warnen. Die gerichtliche Praxis zeigt, dass es Bauunternehmen nur äußerst selten gelingt, eine behauptete mündliche Warnung im  Prozess zu beweisen. Die Beweislast für die Behauptung obliegt nämlich dem Bauunternehmen. Der Zeitaufwand für ein kurzes Fax an den Bauherrn, indem man ihn vor allfälligen Risiken warnt, steht in keinem Verhältnis zu den nachteiligen Konsequenzen, die aus einer Verletzung der Warnpflicht drohen.