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Technische Önormen

allgemein anerkannte regeln

 

a3BAU Ausgabe 9/2010: 

In der Praxis herrscht vielfach Unwissen über die rechtliche Qualität technischer Önormen. Ähnlich verhält es sich mit dem vielfach anzutreffenden Terminus der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“.

 

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Erstpublikation in: a3BAU Ausgabe 9/2010
Technische Önormen - Allgemein anerkannte Regeln erschien erstmalig in dem Magazin "a3BAU".
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Die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ sind technische Regelungen, die in der Wissenschaft als richtig erkannt wurden, in den Kreisen der Technik bekannt sind und in der Praxis angewendet werden. Der Begriff „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Sein Wortsinn gibt nur vage  Hinweise. Zur erforderlichen weiteren Konkretisierung muss somit die Verkehrsanschauung durch Sachverständige ermittelt werden. Die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ sind keine Rechtsnormen. Sie gehören ausschließlich dem Tatsachenbereich an. Dies führt dazu, dass in aller Regel technische Sachverständige konsultiert werden, um zu erfahren, ob ein Gewerk den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.

 

Auch Önormen sind keine Rechtsnormen, sondern lediglich private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Da sie somit keine Gesetzesqualität haben und darüber hinaus weder Gewohnheitsrecht

sind noch Unternehmensbrauch oder Verkehrsitte darstellen, müssen sie vertraglich vereinbart werden, wenn sie zwischen den Vertragsparteien gelten sollen. Anders die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“. Diese stellen nämlich eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft eines Gewerkes dar; als solche sind sie vom Werkunternehmer auch dann einzuhalten, wenn sie zwischen den Parteien des Werkvertrages nicht ausdrücklich vereinbart wurden.

 

Bedeutsamer Unterschied

In der Praxis werden technische Normen und allgemein anerkannte Regeln der Technik häufig ohne Weiteres gleichgesetzt. Tatsächlich besteht jedoch gerade in technischer Hinsicht ein oft bedeutsamer Unterschied. Die technischen Bestimmungen der Normungsorganisationen (Önormen) unterliegen nämlich regelmäßig einer Überalterung und müssen in bestimmten zeitlichen Abständen überarbeitet werden. Aus diesem Grund halten sie mit der technischen Weiterentwicklung nicht immer Schritt. In Teilen der rechtswissenschaftlichen Literatur wird ernsthaft bezweifelt, ob die technischen Normen wirklich einen Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren wiedergeben und dabei insbesondere neue Techniken berücksichtigen, die sich in der Praxis noch nicht hinreichend bewährt haben. Dies wird damit begründet, dass in den maßgeblichen Gremien gewichtige Vertreter der Industrie sitzen, sodass nicht zu erwarten sei, dass sich eine fortschrittliche und neue Technologie gegen den Willen der Wirtschaftsvertreter auch ohne praktische Bewährung durchsetzt. Insbesondere wegen der hohen Investitionskosten, die bei einer ständigen Fortschreitung des Standes der Technik anfallen würden, bestehe von Seiten der Industrievertreter die Tendenz, die Durchsetzung neuer technischer Entwicklungen zu verzögern. Aus diesem Grund wird die Ansicht vertreten, dass diese privaten Regelwerke (Önormen) höchstens den niedrigeren Sicherheitsstandard „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ wiedergeben. Dem gemäß bestehen in der rechtswissenschaftlichen Literatur Zweifel an der Objektivität der technischen Önormen. Allerdings wird weitestgehend außer Streit gestellt, dass die technischen Önormen hinsichtlich der Konkretisierung der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ doch eine erhebliche Bedeutung einnehmen. Das alles bedeutet, dass der Auftragnehmer zunächst einmal entlastet ist, wenn er nachweist, dass er die einschlägigen technischen Normen beachtet hat.

 

Beweislast beim Auftragnehmer

Es wird also unterstellt, dass der  Auftragnehmer mit Einhaltung der einschlägigen technischen Normen auch die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten hat. Steht allerdings fest, dass die technische Norm hinter den allgemein anerkannten Regeln der Technik zurückbleibt, hat der Auftragnehmer zu beweisen, dass sein Gewerk nicht bloß normgerecht ist, sondern auch den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.

 

In diesem Zusammenhang noch ein Hinweis zur Bauvertragsnorm Önorm B2110. Die Önorm B2110 wird zwischen

den Parteien eines Werkvertrages häufig als – zusätzliche – Vertragsgrundlage vereinbart. Wenn die Önorm B2110 rechtswirksam vereinbart wurde, sind damit allein Betracht kommenden, im Önormen-Verzeichnis enthaltenen Normen technischen Inhalts und alle weiteren Normentechnischen Inhalts gleichsam automatisch mitvereinbart.