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Ausschreibungen

kein erbarmen ...

 

a3BAU Ausgabe 1-2/2012: 

... mit listigen Bietern zeigte der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung, die sich mit der Zulässigkeit einer Regelung in der Ausschreibung beschäftigt. Sie beraubte den Auftragnehmer jeglicher Mehrkostenforderung, wenn er im Zuge der Angebotsprüfung zum Schluss kam, dass zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung zusätzliche im Leistungsverzeichnis nicht angeführte Leistungen erforderlich sind.

 

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Erstpublikation in: a3BAU Ausgabe 1-2/2012
Ausschreibungen - Kein Erbarmen ... erschien erstmalig in dem Magazin "a3BAU".
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Die Entscheidung des OGH ist, obwohl schon gut fünf Jahre alt, zu aktuell und zu spannend, um sie einem kleinen Kreis von Baurechtsexperten vorzubehalten. In der Ausschreibung war wie folgt geregelt: Kommt der Bieter zu dem Schluss, dass zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung zusätzliche im Leistungsverzeichnis nicht angeführte Leistungen erforderlich sind, so hat er diese eindeutig und zweifelsfrei zu beschreiben und dem Ausschreibenden … nachweislich zur Kenntnis zu bringen. Aus einem … Versäumnis des Angebotslegers können nach Auftragserteilung keine Mehrforderungen geltend gemacht werden.

 

Bei  Erstellung der Ausschreibung hatte der Planer des Bauherrn übersehen, eine Leistungsposition für das Vorhalten von Spundwänden in der Dauer von fünf Monaten vorzusehen. Die Unterinstanzen stellten im Rechtsstreit zwischen dem klagenden Werkunternehmer und dem Bauherrn fest, dass der Werkunternehmer bereits bei Studium der Ausschreibungsunterlagen erkannte, dass das Vorhalten der Spundbohlen von Anfang Juni bis Mitte Dezember 1999 erforderlich sein werde und dass der Professionist schon zum Zeitpunkt der Ausschreibung und zum Zeitpunkt des Aufklärungsgespräches daran dachte, den Bauherrn mit einem Nachtragsangebot zu überraschen, sobald er den Zuschlag als Bestbieter erhalten würde. Es sei, so die Unterinstanzen, der listige Hintergedanke des Professionisten gewesen, die unklare Ausschreibung auszunutzen, das Werk ohne Vorhaltekosten für Spundbohlen anzubieten und dann den Preis für die Leistung durch ein Nachtragsangebot zu erhöhen, sobald der Professionist den Zuschlag erhalten würde. In der Tat hat der klagende Professionist knappe zwei Wochen nach Erteilung des Auftrages an ihn ein Nachtragsangebot über das Vorhalten der Spundwände gelegt. Der Bauherr verweigerte unter Berufung auf die oben angeführte Regelung in der Ausschreibung die Zahlung der geltend gemachten Mehrkostenforderung. 

 

Forderung nicht einklagbar

 

In seiner rechtlichen Begründung befasste sich der OGH ausführlich mit der Frage, ob streitgegenständliche Regelung in der Ausschreibung (Ausschluß von Mehrkostenforderungen) sittenwidrig sei. Hierzu hat der OGH wie folgt erwogen: Der Mehrkostenausschluss in der Ausschreibung komme nach der eindeutigen Formulierung zur Anwendung, wenn der Bieter zum Schluss kommt, dass zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung zusätzliche im LV nicht angeführte Leistungen erforderlich sind. Voraussetzung für den Mehrkostenausschluss sei somit, dass der Bieter die Unrichtigkeit des LV erkennt und dennoch schweigt.

 

Zum Mehrkostenausschluss komme es sohin ohnehin nur bei Vorsatz des Bieters.

 

Damit weiche aber die vertragliche Regelung nicht grundsätzlich von der gesetzlichen Regelung ab, weshalb die vertragliche Regelung zulässig, also nicht sittenwidrig, sei.

 

Darüber hinaus, so der OGH, liege dem Unternehmer eine Verletzung der Warnpflicht zur Last. Er wäre nämlich im Hinblick  darauf, dass er den Ausschreibungsfehler erkannt hat, verpflichtet gewesen, den Auftraggeber darauf hinzuweisen. Bei einer Warnpflichtverletzung trete nicht nur eine Schadenersatzverpflichtung des Auftragnehmers ein, vielmehr verliere er darüber hinaus seinen Entgeltanspruch. Die Verletzung der Warnpflicht wurde vom OGH als Argument dafür hergenommen, die streitgegenständliche Regelung in der Ausschreibung als nicht sittenwidrig zu beurteilen. Dem klagenden Werkunternehmer stünden sohin keine über den vereinbarten Pauschalpreis hinausgehenden Ansprüche zu. 

 

Schließlich hat sich der OGH auch mit einem allfälligen Mitverschulden des Bauherrn befasst. Unzweifelhaft unterlief ja dem vom Bauherrn beauftragten Planer bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses ein Fehler, der darin bestand, für das Vorhalten der Spundwände keine Position in das LV aufgenommen zu haben. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich der Bauherr bekanntlich ein Verschulden seines Planers anrechnen lassen. Im gegenständlichen Fall hat jedoch der OGH auch ein derartiges Mitverschulden des Bauherrn ausgeschlossen. Dies mit dem Argument, dass dem fahrlässigen Verhalten des Bauherrn (Planungsfehler) das vorsätzliche (listige) Verhalten des Werkunternehmers gegenüberstand. In einem solchen Fall käme eine Schadensteilung nicht in Frage. Der vorsätzlich Handelnde habe seinen Schaden zur Gänze selbst zu tragen.

 

Vorsatz schließe nämlich den Mitverschuldenseinwand aus. 

 

Wenngleich die Entscheidung des OGH zu begrüßen ist, läuft die Praxis in aller Regel etwas anders ab. In der Mehrzahl der Fälle wird es nämlich dem Bauherrn äußerst schwer fallen, nachzuweisen, dass dem Werkunternehmer der Ausschreibungsfehler von Anfang an aufgefallen ist. Nur unter dieser Voraussetzung, also nur dann, wenn dem Bauherrn dieser Beweis gelingt, wird es ihm möglich sein, die  Mehrkostenforderungen des Werkunternehmers abzuwehren.