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Baugrundrisiko: Arglistiges Verschweigen einer Mülldeponie

Immer wieder werden Gerichte mit Ansprüchen von Käufern kontaminierter Liegenschaften beschäftigt. Eine aktuelle Entscheidung des OGH fügt dem Fundus einschlägiger Judikate einer weitere Facette hinzu. 


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Baugrundrisiko: Arglistiges Verschweigen einer Mülldeponie
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Baugrundrisiko - Arglistiges Verschweige
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Bei der Schilderung des Falles werden sowohl Rechtsnachfolgen auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite bewusst weggelassen, um den Fall nicht zusätzlich zu verkomplizieren. Die Klägerin erwarb von der Beklagten im Jahre 1996 eine unbebaute Liegenschaft. Der Beklagten war bekannt, dass die Liegenschaft zum Zwecke der Errichtung einer Betriebshalle erworben wurde. Auf dem Grundstück hatte die Viertnebenintervenientin bis zum Jahre 1959 eine Deponie betrieben, in der Haus- und Sperrmüll sowie Abfälle eines Krankenhauses entsorgt wurden. Die Käuferin hatte von diesem Umstand keine Kenntnis.


Die Verkäuferin klärte die Käuferin im Rahmen der Vertragsverhandlungen über das Faktum der ehemaligen Deponie nicht auf.


Die Klägerin errichtete nach Erwerb des Grundstückes die Betriebshalle wie beabsichtigt. Dabei wurden die Säulen der Halle auf Deponiegrund aufgesetzt. Diese Säulen sanken im Laufe der Zeit ein, was schließlich zu einem Knicken der Halle führte. Das von der Klägerin beauftragte Bauunternehmen war mit der Errichtung der Fundamente und des Betonbodens beauftragt worden. Den Mitarbeitern des Bauunternehmens war bei den Grabungsarbeiten erkennbar, dass sie nicht in den gewachsenen Boden, sondern in das Deponiematerial hineingruben. Sie zeigten der Klägerin allerdings diesen Umstand nicht an.

 

Der von der Klägerin beauftragte Statiker führte für seine Berechnungen keine Bodenuntersuchungen durch. Er ging davon aus, dass der übliche Murschotter vorhanden sei und nahm eine mittlere Bodenpressung an (die, wie sich in weiterer Folge herausstellte, bei Weitem nicht gegeben war).

 

Die Klägerin begehrte von der Beklagten einen Betrag von € 769.611,20. Ihre Ansprüche gründete sie auf irrtumsrechtliche Vertragsanpassung wegen List und auf Schadenersatz. 

 

Das Berufungsgericht bejahte die Haftung der Verkäuferin wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht. Der OGH bestätigte diese Entscheidung im Wesentlichen mit folgenden Argumenten:

Beim Erwerbe eines Einfamilienhauses oder – wie hier – einer unbebauten Liegenschaft, die zuvor als Ackerland genützt wurde, könne ohne Hinweis auf eine besondere Bodenbeschaffenheit im allgemeinen ein natürlich gewachsener Untergrund erwartet werden.

 

Beim Abschluss eines Kaufvertrages treffe den Verkäufer dann eine Aufklärungspflicht, wenn der Käufer zum Ausdruck brachte, dass er auf einen bestimmten Punkt besonderen Wert legt und daher informiert werden will. Die Aufklärungspflicht sei bei solchen Umständen anzunehmen, die für den Entschluss des Käufers derart von Bedeutung sind, dass er bei ihrer Kenntnis den Vertrag möglicherweise nicht oder zumindest nicht zu den gleichen Bedingungen abgeschlossen hätte.

 

Die Beklagte habe nicht nur von der Deponie gewusst, sondern auch davon, dass die Käuferin die Liegenschaft zur Errichtung einer Betriebshalle erwarb. Dennoch habe sie die für den Liegenschaftskauf wesentliche Eigenschaft der besonderen Bodenbeschaffenheit (Deponie) nicht bekannt gegeben.

 

Aus diesem Grund sei die Entscheidung des Berufungsgerichtes, dass die Verkäuferin die Käuferin durch arglistiges Verhalten in die Irre geführt habe und demnach für die erforderlichen Sanierungskosten aufkommen müsse, jedenfalls vertretbar. Mit dem Wissen über die Deponie sei entgegen der Ansicht der Verkäuferin auch die Kenntnis von der möglichen Bodenkontamination und der unzureichenden Bodenbeschaffenheit verbunden.

 

Die Beklagte brachte im Verfahren auch diverse Mitverschuldenseinwände vor. So behauptete sie, dass der Käuferin anlässlich der Errichtung der Lagerhalle 1996/1997 der Bestand der Mülldeponie aufgrund einfachster Recherchen erkennbar gewesen wäre. Zudem sei die Käuferin vor Durchführung des Bauprojektes verpflichtet gewesen, die Baugrundeignung durch eine Bodendruckprobe zu überprüfen.

 

Wie schon die Unterinstanzen, so schmetterte auch der OGH diesen Mitverschuldenseinwand mit dem Argument ab, dass dem Betrogenen gegen den listig Irreführenden trotz eigener Fahrlässigkeit voller Ersatz zustehe und die Mitverschuldensregelung gemäß § 1304 ABGB nicht zur Anwendung gelange.

 

Vorsatz schließe den Mitverschuldenseinwand aus.

 

Die Verkäuferin erhob einen weiteren Mitverschuldenseinwand mit der Behauptung, der von der Käuferin beauftragte Statiker habe keine Bodenuntersuchungen durchgeführt und das mit der Errichtung des Hallenbodens beauftragte Bauunternehmen habe bei den Grabungsarbeiten das Deponiematerial erkennen können.

 

Der OGH sprach aus, dass das Verhalten der beiden Auftragnehmer der Käuferin die Verkäuferin nicht entlasten könne. Weder der Statiker noch das Bauunternehmen hätten im Verhältnis zur Verkäuferin Obliegenheiten der Käuferin aus dem Kaufvertrag zu erfüllen gehabt. Daher könne deren Sorgfaltswidrigkeit der Käuferin nicht als Mitverschulden zugerechnet werde. Denn eine solche Zurechnung käme nur in Betracht, wenn Statiker und/oder Bauunternehmen Pflichten oder Obliegenheiten verletzt hätten, die ihre Auftraggeberin trafen oder von dieser nachträglich übernommen worden seien. Davon könne hier keine Rede sein. Statiker und Bauunternehmen seien ausschließlich im Interesse der Käuferin tätig geworden. Ihre Beauftragung habe nicht den Zweck gehabt, die Verkäuferin zu entlasten.