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ÖNORM B 2110 - Fallstricke aus der Sicht des Auftraggebers

a3BAU Ausgabe 6/2016: 

In schriftlich abgefassten Bauwerkverträgen ist es mittlerweile gängige Praxis, die ÖNORM B 2110 als Vertragsgrundlage zu vereinbaren. Häufig übersehen wird dabei, dass die ÖNORM B 2110 als die zentrale Werkvertragsnorm einige Bestimmungen enthält, die vom Gesetz nicht unerheblich abweichen. Der nachfolgende Artikel erläutert in geraffter Weise einige dieser Bestimmungen der ÖNORM B 2110.


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Erstpublikation in: a3BAU Ausgabe 6/2016
ÖNORM B 2110 - Fallstricke aus der Sciht des Auftraggebers erschien erstmalig in dem Magazin "a3BAU".
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Die ÖNORM B 2110 ist weder eine von den Vertragsparteien aufgestellte Geschäftsbedingung noch das Ergebnis von Vertragsverhandlungen. Vielmehr stellt sie eine vornormierte Werkvertragsschablone dar, die nur dann zum verbindlichen Vertragsinhalt wird, wenn sie von den Parteien des Werkvertrages vereinbart wird. Eine bloß stillschweigende Vereinbarung der ÖNORM B 2110 wird in Lehre und Rechtsprechung als kritisch betrachtet. Interessant ist, dass die ÖNORM B 2110 gemeinhin als ausgewogener Kompromiss zwischen den Interessen der an den Werkverträgen beteiligten Personen angesehen wird, weshalb man sie häufig auch als qualifiziert konsensualisierte ABG bezeichnet.

 

Es ist in diesem Zusammenhang immer wieder zu lesen, dass eine einseitige Risikoverschiebung zu Lasten einer Vertragspartei nicht zu befürchten sei, weil die an der Entstehung der ÖNORM B 2110 betroffenen Interessensvertretungen dem Inhalt einer solchen (einseitigen) ÖNORM nicht zustimmen würden. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die ÖNORM B 210 zentrale werkvertragliche Regelungen vorsieht, die von den gesetzlichen Bestimmungen erheblich abweichen.

 

Die erste solche Bestimmung ist Punkt 6.5.3.1 der ÖNORM B 2110. Diese sieht eine Begrenzung der Vertragsstrafe auf 5 % der ursprünglichen Auftragssumme (des zivilrechtlichen Preises) vor. Dem gegenüber enthält die korrespondierende gesetzliche Bestimmung (§ 1336 ABGB) keine derartige Begrenzung. Wenn sohin dem Werkvertrag zwischen AG und AN die ÖNORM B 2110 zugrunde gelegt wurde, dann ist zu prüfen, ob allenfalls gesonderte Pönaleregelungen im Vertrag die 5 %-Begrenzung aushebeln. Sollte der Bauwerkvertrag tatsächlich gesonderte Regelungen über die Vertragsstrafe enthalten, dann führt dies häufig zu äußerst schwierigen Auslegungsproblemen; das gilt insbesondere dann, wenn die einschlägigen vertraglichen Regelungen keine Aussage über die Begrenzung der Pönale enthalten.

 

Eine weitere, einschneidende Änderung im Vergleich zur korrespondierenden gesetzlichen Regelung enthält Punkt 12.3.1. der ÖNORM B 2110. Diese sieht nämlich bei leichter Fahrlässigkeit eine Begrenzung der Schadenersatzpflicht bei Werkverträgen mit einer Auftragssumme bis € 250.000,-- auf höchstens € 12.500,-- und bei Verträgen mit einer Auftragssumme über € 250.000,-- auf 5 % der Auftragssumme, höchstens jedoch € 750.000,-- vor.

 

Das Gesetz kennt eine derartige Begrenzung der Schadenersatzverpflichtung nicht. Hier stellt sich, ähnlich wie bei der Pönale, die Frage, was gilt, wenn der Werkvertrag die ÖNORM B 2110 zwar als Vertragsgrundlage vorsieht, gleichzeitig aber separate schadenersatzrechtliche Regelungen enthält, die eine Begrenzung der Schadenersatzpflicht bei Vertragsverletzungen nicht vorsehen. Auch hier stößt der Vertragsprüfer auf schwierige Auslegungsprobleme. Generelle Aussagen über die Auslegung solcher Konstellationen sind deshalb kaum möglich, weil es sich dabei jeweils um Einzelfälle handelt, die der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof (OGH) entzogen sind.

 

Die dritte, hier zu erwähnende deutliche Abänderung der Gesetzeslage sehen die Punkte 10.4 und 10.5 der ÖNORM B 2110 vor. Diese regeln, dass bei Vorliegen von Mängeln am Gewerk des AN, die den vereinbarten Gebrauch des Gewerkes nicht wesentlich beeinträchtigen, der AG berechtigt ist, (nur) das Dreifache der voraussichtlich notwendigen Mängelbehebungskoten (Kosten der Ersatzvornahme) zurückzuhalten. Dem gegenüber sieht das Gesetz die Berechtigung des AG vor, den gesamten noch offenen Werklohn bis zur vollständigen Mängelbehebung zurückzuhalten (sogenannte Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages).

 

Das Zurückbehaltungsrecht des AG ist im Gesetz nur durch das so genannte Schikaneverbot begrenzt. Wer regelmäßig Bauunternehmen im gerichtlichen Verfahren, wo es um die aktive Geltendmachung von Werklohnforderungen geht, vertritt, weiß, wie gefährlich diese Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages des AG ist. Wenn es dem AG bei derartigen Prozessen gelingt, auch nur einigermaßen werthaltige Mängel zu beweisen, dann führt dies bei Anwendung der gesetzlichen Regelungen regelmäßig zur Abweisung der Werklohnklage. Anders bei Vereinbarung der ÖNORM B 2110, wo dem AG diese Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages nicht zukommt, sondern er nur das dreifache der voraussichtlich anfallenden Mängelbehebungskosten zurückhalten kann.

 

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass oben angeführte Fallstricke nicht nur für das Verhältnis zwischen Bauherrn und Bauunternehmer, sondern auch für das Verhältnis zwischen GU- und Subunternehmer gelten.